Themenzentrierte Interaktion (TZI) nach Ruth Cohn
Die wesentlichen Elemente des TZI-Konzepts
Teamarbeit gestaltet sich oft schwierig. Offene und versteckte Konflikte belasten die Arbeitsatmosphäre, Machtspielchen kosten Zeit und Energie und Arbeitserfolge stellen sich nur schleppend ein. Für eine wirklich effektive Teamarbeit ist es zunächst wichtig, die natürlichen Prozesse in Teams zu erkennen und entsprechende Regeln aufzustellen, die eine gute Zusammenarbeit aller ermöglichen.
Ein Team besteht immer aus Individuen
Meist wird viel zu wenig beachtet, dass es sich bei einem Team immer um eine Gruppe von einzelnen Menschen handelt, die mit ihren ganz persönlichen Eigenschaften, Bedürfnissen und Verhaltensweisen aufeinandertreffen. Ein Team besteht immer aus verschiedenen Individuen, die alle ihre Geschichte, ihre Stärken und Schwächen – oder einfacher gesagt: ihre ganze Persönlichkeit mitbringen.
Das Modell der TZI berücksichtigt die Individualität der Einzelnen
Diese unterschiedlichen Personen treffen aufeinander und es entwickeln sich Sympathien und Antipathien, Zuneigung und Spannung, Freude und Konflikte. Bei all dem soll diese Gruppe von Menschen nun aber ein Arbeitsziel verfolgen und möglichst schnell und effektiv zu Ergebnissen kommen. Sie sehen: Teamarbeit ist eine sehr komplexe Angelegenheit.
TZI hilft, die Teamarbeit effektiver zu gestalten
Mit dem Wissen über die TZI können Sie in Zukunft Äußerungen und Konflikte im Team viel besser einordnen. Ruth Cohn hat ein Modell erarbeitet, das leicht einsichtig ist und deshalb als Kommunikationsgrundlage für jede Teamarbeit genutzt werden kann. Gleichzeitig können mit Hilfe dieses Modells Konflikte erklärt und damit nachvollziehbar werden. Zusätzlich gehören zu diesem Modell eine Reihe von Regeln, die für die praktische Kommunikation im Team sehr hilfreich sind.
Das Modell der TZI
Das Modell der themenzentrierten Interaktion nach Ruth Cohn beschreibt die Kommunikation und die Vorgänge in einem Team. Auch wenn es sich bei der TZI um ein theoretisches Modell handelt, so vermittelt dieses Modell jedoch ein sehr praktisches Wissen über die konkrete Teamarbeit.
Die drei Ebenen der Teamarbeit
Ruth Cohn stellte fest, dass Gespräche und Interaktionen in Teams oder Gruppen immer auf drei verschiedenen Ebenen stattfinden: auf der Sach-Ebene, der Ich-Ebene und der Wir-Ebene.
Je nach Situation findet der zwischenmenschliche Austausch in einer Gruppe von Menschen stärker oder weniger stark auf den verschiedenen Ebenen statt.
Die Sach-Ebene
In einer Teamarbeit geht es immer darum, eine Aufgabe zu lösen, ein Thema zu bearbeiten oder eine Fragestellung zu erörtern. Diese inhaltlichen Aufgaben spielen sich auf der Sach-Ebene ab. Für die meisten ist die Sach-Ebene die wichtigste, denn dafür gibt es schließlich überhaupt erst das Team.
Zur Sach-Ebene gehören:
👉 alle inhaltlichen Fragen bezüglich der Arbeitsaufgabe
👉alle Informationen über das zu lösende Problem,
👉 inhaltliche Verständnisprobleme
👉 unterschiedliche Auffassungen zur Durchführung
👉 inhaltliche Ideen und Vorschläge
👉 u.Ä.
Die Ich-Ebene
Neben der Sachaufgabe, die für alle Teammitglieder gleich ist, kommt jedes einzelne Teammitglied immer auch mit seiner eigenen Persönlichkeit, seinen Stimmungen oder Vorerfahrungen in das Team. Da kommt einer z.B. gutgelaunt ins Team und reißt alle anderen mit oder eine kommt frustriert und beeinflusst so die Gesamtstimmung. Ein dritter kommt wutschnaubend in die Gruppe und lässt seine Aggressionen an den anderen aus. Wichtig ist zu erkennen, dass bestimmte Verhaltensweisen und Themen von den einzelnen Personen mitgebracht werden. Sie können die Teamarbeit stark beeinflussen und müssen dann angesprochen werden. Diese Ebene ist vor allem denen nicht bewusst , für die allein der Sachaspekt einer Teamarbeit bedeutungsvoll ist.
Die Wir-Ebene
Da in jeder Teamarbeit die verschiedenen Personen zusammenarbeiten sollen, entsteht immer auch ein „Wir“. Das Team ist eine Form von Gemeinschaft, unabhängig davon, ob sich die einzelnen Mitglieder nahe stehen und sich mögen oder nicht. Die Spannungen und Stimmungen die aus der Gruppe heraus entstehen (abhängig davon, wer dort zusammensitzt) sind ein Thema auf der Wir-Ebene. Hier entstehen Konflikte oder auch Sympathien, die die Teamarbeit beeinflussen können. Werden solche Prozesse erkannt und transparent gemacht, können sie ggf. bearbeitet werden. Bleiben sie verdeckt und unbearbeitet, können sie die konkrete Arbeit wesentlich beeinflussen. Auch diese Ebene ist vielen Menschen nicht bewusst, aber dennoch ständig vorhanden.
Machen Sie sich die drei Ebenen bewusst
Es ist sehr hilfreich, sich darüber im Klaren zu sein, dass in jeder Gruppe diese verschiedenen Ebenen vorhanden sind. Wenn eigentlich ein Sachthema (z.B. die Arbeitsaufgabe) besprochen werden soll, aber jemand in einem Konflikt mit einem anderen steht, beeinflusst dies den Arbeitsprozess. Diese zwei Personen können in der Regel nicht sachlich miteinander reden und werden so die Effektivität der Arbeit beeinträchtigen. Genauso kann es sein, dass einzelne Teammitglieder ihre persönlichen Probleme mit in das Team bringen und so die Atmosphäre beeinflussen. Wenn wir das TZI-Modell im Kopf haben, können wir bestimmte Reaktionen oder Äußerungen besser einordnen.
Klarheit ist wichtig
Sehr wichtig ist es, zu erkennen, wann z.B. ein persönliches Problem in die Wir-Ebene gezogen wird, oder wann ein Wir-Problem auf der Sachebene ausgetragen wird. Es kann z.B. schnell passieren, dass jemand einen Vorschlag eines anderen Teammitglieds nur deshalb ablehnt, weil er sich vor zwei Tagen von dieser Person unfair behandelt gefühlt hat. Genauso kann es sein, dass jemand einen Streit mit anderen Teammitgliedern beginnt, um persönliche Anspannungen abzubauen. Solche Vorgänge sind uns nicht bewusst und können so die Teamarbeit erheblich beeinträchtigen. Das Modell der TZI kann uns dabei helfen, uns dieser Prozesse schneller bewusst zu werden, indem sich alle im Team immer wieder fragen, auf welcher Ebene sich eine Äußerung scheinbar und tatsächlich befindet.
Ziel jeder Teamarbeit sollte die Integration aller Ebenen sein
Für eine effektive Teamarbeit müssen alle Ebenen ausgeglichen sein. Es darf kein Übergewicht in einer der drei Ebenen entstehen, weil sonst der Erfolg des Teams leidet. Ein Übergewicht auf der Sach-Ebene geht zu Lasten der individuellen Bedürfnisse und des Gemeinschaftsgefühls. Ein Übergewicht auf der Ich- oder auf der Wir-Ebene kann dazu führen, dass die eigentliche Arbeit vernachlässigt wird. Genau aus dieser Angst heraus, wird bei uns in der Regel großer Wert darauf gelegt, ausschließlich auf der Sach-Ebene zu agieren, um nur nicht das Arbeitsziel aus den Augen zu verlieren. Aber ein solches Vorgehen rächt sich, denn unter ungeklärten Spannungen im Team oder unausgesprochenen persönlichen Problemen leidet die Gruppenarbeit. Angestaute Frustrationen oder Schwierigkeiten abzuarbeiten dauert viel länger, als ihnen kontinuierlich Raum zu geben.
TZI heißt aber nicht, endlos Probleme zu wälzen
Eines ist wichtig: Ein Vorgehen nach der TZI bedeutet auch nicht, dass ständig nur Ich – und WirProbleme gewälzt werden. Probleme und Konflikte kommen dann zur Sprache, wenn (oder idealerweise bevor) sie den Prozess stören. Nimmt das Überhand, ist das Gleichgewicht ebenfalls gestört, da dann die Sach-Ebene zu kurz kommt. In einem Team sollten zwischenmenschliche Vorgänge und persönliche Probleme zwar beachtet und bearbeitet werden, über sie darf aber nicht das Sachziel aus den Augen verloren werden. Letztlich ist das Sachziel – also die Arbeitsaufgabe – ja das eigentlich Wesentliche der Teamarbeit.
Grundregeln der TZI
Regel Nr. 1: In der Ich-Form reden
„Vertritt dich selbst in deinen Aussagen; sprich per Ich und nicht per Wir oder per Man.“
Vielfach verstecken wir uns hinter Formulierungen wie „Man sollte das so und so machen“ oder „Jeder denkt das und das.“ Es ist für viele viel schwerer, zu der eigenen Aussage oder Meinung zu stehen, wenn es darum geht, sie als persönliche Meinung zu kennzeichnen. Es geht bei dieser Regel darum, dass der Sprechende die volle Verantwortung für das Gesagte übernehmen soll und sich nicht hinter der Allgemeinheit oder der Gruppe verstecken kann. Diese Regel kann übrigens auch für alle Arten von Gesprächen gelten.
Regel Nr. 2: Motivation von eigenen Fragen transparent machen
„Wenn du eine Frage stellst, sage, warum du fragst und was deine Frage für dich bedeutet. Sage dich selbst aus und vermeide das Interview.“
Grundsätzlich gilt nach Ruth Cohn: Sage etwas über Dich aus, anstatt Fragen zu stellen. Diese Regel entstand aus der Erkenntnis, dass es „echte“ und „unechte“ Fragen gibt. Während echte Fragen Ausdruck eines Informationsbedürfnisses sind, werden unechte Fragen z.B. für Machtspiele eingesetzt. Nach Ruth Cohn ist es wesentlich, dass die Teammitglieder immer etwas von sich selbst in den Teamprozess einbringen. Indem jedes Teammitglied aufgefordert ist, die Motivation einer Frage deutlich zu machen, wird schnell klar, um welche Art von Frage es sich handelt.
Eines noch zum Thema Fragen: Fragen können ein sehr effektives Mittel sein, um einen Prozess voranzutreiben. Solche Fragen werden tatsächlich meist von Personen gestellt, die tendenziell eine Führungsrolle übernehmen. Akzeptieren alle Teammitglieder diese Rolle, ist ein solches Vorgehen vor allem in Phasen des Zeitdrucks durchaus angemessen.
Regel Nr. 3: Bewusstsein über die eigenen Beiträge und Befindlichkeiten haben
„Sei authentisch und selektiv in deinen Kommunikationen. Mach dir bewusst, was du denkst und fühlst, und wähle, was du sagst und tust.“
Um ein faires und vertrauensvolles Miteinander im Team zu erreichen, ist eine gewisse Filterung der eigenen Aussagen notwendig. Es kann nicht jeder immer sofort alles sagen, was ihm oder ihr gerade in den Kopf kommt. Je besser das Team im Laufe der Zeit eingespielt ist, desto mehr kann gesagt werden, weil die anderen die Äußerungen besser einschätzen können. Dennoch ist es wichtig, die eigenen Beiträge verantwortungsvoll auf das jeweilige Ziel der Gruppenarbeit hin zu überprüfen, ohne sich selbst zu verleugnen.
Regel Nr. 4: Möglichst nicht interpretieren
„Halte dich mit Interpretationen von anderen so lange wie möglich zurück. Sprich statt dessen deine persönlichen Reaktionen aus.“
Manche Menschen neigen dazu, die Redebeiträge anderer Personen zu interpretieren. So sagt jemand z.B. „Einige aus der Gruppe denken, …“ oder „Klaus will eigentlich das und das sagen.“ Meist haben Interpretationsversuche vor allem etwas mit dem Sprechenden selbst zu tun und führen oft zu Abwehrreaktionen desjenigen, der die Ursprungsaussage gemacht hat. Kaum jemand wird gerne interpretiert – und möglicherweise falsch gedeutet. Solche Vorgänge verlangsamen die Arbeitsprozesse. Statt zu erklären, was andere gesagt oder gedacht haben, ist es angemessener für sich selbst zu sprechen. Die einfache Grundregel lautet deshalb: jeder spricht für sich selbst! Wenn wir nicht sicher sind, was der andere gesagt hat, können wir nachfragen.
Regel Nr. 5: Keine Verallgemeinerungen
„Immer kommst du zu spät.“ – „Du lässt mich nie ausreden.“
Solche Verallgemeinerungen unterbrechen den Gruppenprozess. Sie werden häufig im Rahmen von kritischen Anmerkungen oder Vorwürfen geäußert und führen oft zu Abwehrreaktionen oder Gegenangriffen. Verallgemeinerungen sind nur dann sinnvoll, wenn innerhalb einer Diskussion die Ebene gewechselt werden soll, wenn z.B. ein Unterthema erschöpfend diskutiert wurde und nun wieder eine Ebene höher gegangen werden soll. Ansonsten sollte jeder möglichst seine Äußerungen auf die jeweils aktuelle Situation hin formulieren.
Regel Nr. 6: Persönliche Eindrücke deutlich kennzeichnen
„Wenn du etwas über das Benehmen oder die Charakteristik eines anderen Teilnehmers aussagst, sage auch, was es dir bedeutet, dass er so ist, wie er ist (d.h. wie du ihn siehst).“
Auch hier ist wie bei Regel Nr. 2 das Ziel ein offener Dialog. Wenn jedes Teammitglied seine Äußerungen als persönliche Meinung kennzeichnet, können die Aussagen nicht auf eine allgemeingültige Ebene gehoben werden, sondern es kann direkt zwischen den beiden Personen besprochen werden. Unser Feedback ist ja aus unserer persönlichen Sicht entstanden und kann z.B. durch unsere Tagesform oder unsere Vorerfahrungen geprägt sein.
Regel Nr. 7: Störungen haben Vorrang
„Seitengespräche haben Vorrang. Sie stören und sind meist wichtig. Sie würden nicht geschehen, wenn sie nicht wichtig wären …“
Diese Regel ist vielleicht die Bekannteste der TZI. Sie ist aber auch umstritten. In dieser Regel geht es um Störungen, wie z.B. ein Nebengespräch zwischen zwei Teammitgliedern. Ein solches Seitengespräch stört die Gruppe. Es kann ein Hinweis darauf sein, dass die Personen oder ein Thema nicht genug Raum in der Gruppe finden. Die Betroffenen können gefragt werden, ob das Ganze in der Gruppe besprochen werden soll. Dies aber sollte nur als ein Angebot, nicht als Zwang formuliert sein. Die Frage bei dieser Regel ist aber, inwieweit wirklich allen Störungen – Nebengesprächen oder anderen Ereignissen – immer Vorrang gegeben werden soll. Weiter vorne wurde ja schon darauf hingewiesen, dass das Ziel der Teamarbeit schließlich das Lösen der Arbeitsaufgabe ist. Wird Störungen eine zu große Aufmerksamkeit gegeben, kann das auf Dauer zu Frustrationen im Team führen, z.B. dann, wenn sich einzelne Personen so immer in den Vordergrund drängen oder durch Störungen, die Teamprozesse dauerhaft beeinträchtigen. Diese Regel sollte also mit Bedacht angewendet werden.
Regel Nr. 8: Es redet immer nur einer
„Nur einer zur gleichen Zeit bitte.“
Oft reden gerade in wichtigen Phasen der Teamarbeit alle durcheinander, z.B. dann, wenn eine grundlegende Fragestellung diskutiert oder eine Entscheidung getroffen werden soll. Es ist aber oft wichtig, dass jeder jedem zuhört und vor allem, dass alle einander verstehen. Nur so ist eine Verständigung möglich und nur so können Entscheidungen getroffen werden, in denen sich alle Beteiligten wiederfinden. Damit die Äußerungen aller Teammitglieder von allen verstanden werden, ist es notwendig, nacheinander zu sprechen. Niemand kann mehreren Personen gleichzeitig aufmerksam zuhören. Auch nonverbale Äußerungen, wie Gesten oder starke Mimik können so ablenkend sein, dass die Akteure darauf verzichten sollten, während jemand anderes spricht.
Regel Nr. 9: Kurze Sammlung der Stichpunkte
„Wenn mehr als einer gleichzeitig sprechen will, verständigt euch in Stichworten, über was ihr zu sprechen beabsichtigt.“
In den Situationen, in denen mehrere Personen reden wollen, sollte zunächst nur kurz zusammenfassen, was er sagen will, worum es also geht. So kann die Gruppe entscheiden, welche Punkte in welcher Reihenfolge geäußert werden. Diese Stichpunkte können auch für alle sichtbar an einer Tafel oder auf einem Flipchart notiert werden. Wichtig ist, dass auch die Ruhigeren zu Wort kommen und nicht immer nur die dominanten Personen. Wenn alle, die etwas sagen wollen, hintereinander kurz ihren Punkt formulieren, kommt jeder zu Wort. Entscheidend ist hier, dass alle diszipliniert tatsächlich nur Stichworte äußern und nicht gleich die „Chance“ nutzen, um ihren gesamten Beitrag zu leisten.
Zusammenfassung
Diese neun Regeln geben Ihnen wichtige Hinweise, worauf bei einer effektiven Teamarbeit geachtet werden sollte. Nehmen Sie Ruth Cohns Ideen als Anlass, einmal zu überlegen, welche Regeln in Ihrem Team Sinn machen könnten.
Hier erfahren Sie mehr zum Thema Personalentwicklung mit A-TEAM.
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